Vor Erstaunen - oder weil das Atemsystem nicht mehr funktioniert?
Der Mensch lebt nicht von Luft allein, und doch kann ohne Atmen niemand leben. Dies wird einem erst bewusst, wenn es nicht mehr selbstverständlich funktioniert.
Das Luft Ein- und Ausströmen passiert völlig unbewust, solange sich der Mensch in einem ruhigen, gesunden Zustand befindet. Die Ausatmung in Ruhe geschieht passiv, ohne Einsatz der Muskulatur. Bei Anstrengung - körperlich, psychisch, beim Sprechen - verändert sich dies und es werden die Muskeln für die Ein- und Ausatmung aktiviert, je nachdem, wieviel Luft benötigt wird.
Die Organe, die direkt an der Atmung beteiligt sind:
Bei der physiologischen Atmung gelangt die sauerstoffhaltige Luft durch die Nase und den Rachenraum - wo sie angewärmt und gereinigt wird - über den Kehlkopf - hier befinden sich die Stimmbänder - die Luftröhre und die Bronchien in die Lungenflügel. Dort, in den kleinen Lungenbläschen erfolgt der Austausch von Sauerstoff und Stickstoff. Die Oberfläche der Lungenbläschen beträgt ca. 100 m², das entspricht in etwa der Größe eines Tennisplatzes. Die stickstoffhaltige Luft gelangt auf dem umgekehrten Weg aus dem Körper hinaus.
Der Nasenrachenraum, die Luftröhre und die Bronchien sind mit einem sehr feinen Pelz - den Flimmerhärchen - ausgekleidet. Diese schlagen aus dem Lungeninneren in Richtung Körperausgang und sind für den Transport von Schleim, Bakterien, Staubpartikeln etc. aus der Lunge bis zur Nase verantwortlich. Die endgültige Reinigung erfolgt über das Nase putzen oder das Abhusten, wozu der Einsatz bestimmter Muskeln nötig ist.
Dieses sehr fein gesteuerte System bietet mannigfaltige Ansatzpunkte für Störungen. Im folgenden Absatz werden einige wenige davon genannt und erklärt:
Störungen
1) an und in der Lunge selbst:
Die Elastizität des Gewebes kann sich verändern.
Übertragen auf ein Gummiband bedeutet das, es leiert aus z.B. durch Überbeanspruchung, dann zieht es sich nicht mehr zusammen oder kann nicht mehr gedehnt werden.
Es wird zuviel Schleim produziert, das Flimmerhärchenfließband schafft den
Abtransport nicht oder der Schleim ist zu zäh und bleibt an den Innenwänden kleben, die Flimmerhärchen können sich nicht mehr bewegen. Die Lungenbläschen und die Transportwege werden verstopft, die Luft kann nicht mehr passieren.
2) am Skelettsystem
Der Brustkorb wird zu eng, die Lunge hat keinen Platz mehr, um sich richtig auszudehnen und Luft aufzunehmen.
Nehmen Sie z.B. einen Luftballon und geben diesen in eine Flasche hinein. Sie können ihn aufblasen, bis die Flasche ausgefüllt ist, weiter lässt er sich nicht dehnen, auch wenn die Elastizität noch vorhanden wäre.
Die Wirbelsäule ist verkrümmt, dadurch ändert sich die Stellung der Rippen und somit auch der Raum für die Lunge. Die inneren Organe verschieben sich, sie werden zusammengequetscht.
3) am Muskelsystem
Es sind verschiedene Muskeln an der Atmung beteiligt, z.B. das Zwerchfell, die Zwischenrippenmuskeln, die Bauchmuskeln etc.
Diejenigen, die den Brustkorb heben und weiten, sind Teil der Einatemmuskulatur, diejenige, die ihn senken und verengen, gehören zur Ausatemmuskulatur.
Schwäche oder Lähmung eines Teils dieser Muskeln behindern - je nach Gruppenzugehörigkeit - die Ein- oder die Ausatmung.
Zu hohe Spannung oder Verspannung der Muskulatur haben ähnliche Auswirkungen.
4) durch Stoffwechselerkrankungen,
z.B. Mucoviszidose, hier wird u.a. zu viel Schleim gebildet, der die richtige Belüftung der Lunge verhindert.
5) durch Entzündungen,
z.B. Bronchitis - es wird ebenfalls zuviel Schleim produziert, als Abwehrreaktion
gegenüber Krankheitserregern.
6) durch Asthma,
es kommt durch unterschiedliche Auslösemechanismen zu Atemnot.
usw.
Störungen im Atemablauf können in jedem Lebensalter auftreten. Häufige Anzeichen dafür sind
z.B. Kurzatmigkeit, Erstickungsgefühl, Schnell-außer-Atem-geraten, Rasselgeräusche, häufiger Hustenreiz.
Welche Hilfe kann die Physiotherapie bieten?
Je nach Ursache kann in der Physiotherapie über aktive Arbeit mit den Muskeln und am Skelett und durch passive Maßnahmen am Gewebe die Atmung beeinflusst und eine ganzheitliche Erfahrung der Atmung vermittelt und erlernt werden.
Vor Beginn der Behandlung erfolgt eine genaue physiotherapeutische Befundaufnahme, damit ein sinnvoller Behandlungsablauf geplant werden kann, in Rücksprache mit dem überweisenden Arzt. Die Techniken, die erlernt werden müssen, sind für jedes Lebensalter die gleichen. Die Ausführung derselben und die Motivierung wird dem jeweiligen Patienten angepasst.
Wo setzt die Physiotherapie an?
- Erlernen und Vertiefen der Körper- und der Atemwahrnehmung
- Mobilisieren, Dehnen, Korrigieren, Kräftigen der knöchernen und muskulären Strukturen.
- Entspannung oder Steigerung der Muskelspannung, je nachdem, was nötig ist.
- Ausdauer trainieren, die Kondition verbessern.
- Erlernen der physiologischen Atemtechniken, Verbesserung der Belüftung der Lunge.
- Förderung der Lösung vom Schleim und dessen Abtransport.
- Erlernen des Inhalierens.
- Erlernen hilfreicher Hustentechniken
ATEMTHERAPIE, Artikel im Magazin "Gesundheitsdialog - natürlich gesund" , erschienen Oktober 1999
Verfasst von: Doris Iro, Physiotherapeutin